Augusta Vindelicum

(Augusta Vindelicensis, Augusta Vindelicorum, Augusta Vindelikon, Augusta)

Autor: Prof. Dr. Wolfgang Kuhoff

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Die zu unbekanntem Zeitpunkt nach der römischen Eroberung des Voralpenlandes 15 v. Chr. entstandene Zivilsiedlung am Zusammenfluss von Lech und Wertach erhielt vermutlich unter Kaiser Tiberius (14-37 n. Chr.) den Namen Augusta Vindelicum; jüngste Ausgrabungen machen es wahrscheinlich, dass die Entwicklung einer nichtmilitärischen Siedlung mit dem Abzug der hier stationierten Truppen zusammenhängt, der auf die Aufgabe der Expansionspläne gegen Germanien durch Tiberius im Jahr 17 n. Chr. zurückgeht.

    Wann dieser ursprünglich als Vorort der bei Strabon erwähnten Licatier (Teilstamm der Vindeliker) gedachte Platz zur Hauptstadt der Provinz Rätien aufstieg und ob er in dieser Funktion vielleicht Kempten (Cambodunum) ablö­ste, scheint nunmehr beantwortet werden zu können: Ausgrabungen in Augsburg und Kempten bekräftigen die angesprochene Ereignisabfolge, nach der zunächst Cambodunum Provinzhauptstadt war. Im Verlauf der Verlegung der römischen Provinzgrenze nach Norden über die Donau hinaus (69-96 n. Chr.) wurde die Hauptstadtrolle auf das näher an der neuen Grenze gelegene Augusta Vindelicum übertragen. Seit dem 16. Jahrhundert ist es strittig, ob der Name richtig Augusta Vindelicorum oder Augusta Vindelicum lautete.

    Die nach den lateinischen Sprachregeln und aufgrund des Wortlauts der Inschrift des Tropaeum Alpium ('gentes Vindelicorum quattuor'; Augustus) korrekte Form Augusta Vindelicorum setzte sich nicht durch. Sie wurde durch die nach keltischer Art gebildete Variante Augusta Vindelicum verdrängt. Diese Bezeichnung findet sich in einer heute verschollenen Inschrift aus Rom (CIL VI, 3353), im Straßenverzeichnis Itinerarium Antonini, in der kurzgefassten römischen Geschichte des Festus um 370 (Breviarium 8) und auf der Tabula Peutingeriana. Der Name Augusta Vindelicorum ist dagegen in keiner antiken Quelle überliefert. Eine Namensvariante findet sich im spätrömischen Staatshandbuch (Notitia Dignitatum, Occidens XI 30), dessen letzte Edition aus dem frühen 5. Jahrhundert stammt. Hier heißt es, der Vorsteher des kaiserlichen Schatzamtes (praepositus thesaurorum) für Rätien habe seinen Sitz in Augusta Vindelicensis. Dass es sich nicht um den offiziellen, dem Rechtssinn entsprechenden Namen handelt, zeigt eine andere Stelle, wo die Stadt schlicht als Augusta bezeichnet wird. Der römische Geograph Claudius Ptolemaeus gebraucht um 150 n. Chr. in seiner Weltbeschreibung an zwei Stellen (Geographia, II 12,3 und VIII 7,4) die griechische Variante Augusta Vindelikon.

    Die auf Meilensteinen seit Anfang des 3. Jahrhunderts gebräuchliche Kurzform Augusta war später auch Bezeichnung für die Hauptstadt der von Diokletian eingerichteten Provinz 'Raetia secunda' (Rätien). Im spätrömischen Staatshandbuch (Notitia Dignitatum, Occidens XXXV 14) erscheint Augusta als Garnisonsort einer Elitereitereinheit. 565 bezeichnete Bischof Venantius Fortunatus (Vita Sancti Martini, 640-646) die Stadt, für die er als erster den Kult der Märtyrerin Afra bezeugte, ebenfalls als Augusta.

Literatur:

W. Hübener, Zum römischen und frühmittelalterlichen Augsburg, in: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 5 (1958), 211 f.

Hans-Jörg Kellner, Augsburg, Provinzhauptstadt Raetiens, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt 2.5.2, 1976, 690-717

Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 21985, 13-41, 50-56

K. Dietz, Die römischen und frühmittelalterlichen Namen Augsburgs, in: Forschungen zur provinzialrömischen Archäologie in Bayerisch-Schwaben, 1985, 79-115, 92-96, 98-103, 108 f.

Geschichte der Stadt Kempten, 1989, 22-35, 42-53

M. Zahrnt, Zum römischen Namen von Augsburg, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 72 (1988), 179 f.

Lothar Bakker, Jährliche Grabungsberichte, in: Archäologie in Bayern.