Österreicher

Kaufmanns-, Patrizierfamilie

Autor: Prof. Dr. Mark Häberlein

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Die Familie erlangte mit dem weberzünftigen Georg Österreicher (* um 1500, † 1566), Sohn des Gewandschneiders Hans Österreicher, wirtschaftliche und politische Bedeutung. Georg kam durch Geldgeschäfte und den Handel mit sächsischen Tuchen zu Vermögen. Ende 1538 beteiligte er sich an der Saigerhütte im sächsischen Grünthal. Mitglied der Kaufleutestube, 1545 Zwölfer der Weberzunft, Zusatz zum Kleinen Rat und Proviantherr. Tat sich im Schmalkaldischen Krieg (1546/47) bei der Schatzung von Klöstern im Umland hervor. 1548 Wahl zum Zunftmeister der Weber und zum Bürgermeister (Stadtpfleger), nach Einführung der Karolinischen Regimentsänderung aber seiner Ämter enthoben. Während des Fürstenaufstandes (1552) spielte Georg, der zu den Geldgebern Kurfürst Moritz von Sachsens gehörte, neben Jakob Hörbrot eine maßgebliche Rolle bei den Verhandlungen über den Anschluss Augsburgs an die Fürstenopposition; betrieb die Wiedereinführung des zünftischen Regiments in der Reichsstadt, unter dem er zum Baumeister gewählt wurde. Nach dem Scheitern des Aufstandes verbannte ihn der Kaiser aus der Stadt. In der Folge kursächsischer Amtmann in Chemnitz und Zell, später pfalz-neuburgischer Pfleger in Lauingen; seine Versuche, durch Eingaben auf den Reichstagen von 1555 und 1558 seine Wiederaufnahme in die Stadt zu erreichen, blieben erfolglos. 1562 wurde er Bürger von Regensburg. Als Großkaufleute nahmen Georgs Neffe Hans († 1590) und seine Nachkommen bis zum Beginn des 30jährigen Krieges in Augsburg eine bedeutende Stellung ein. Hans war bereits in den 1570er Jahren einer der reichsten Augsburger. Seine Söhne Hans Georg (1558-1606), Hans Jakob († 1613) und Daniel († 1612) sowie sein Schwiegersohn Hans Steininger gründeten 1590 die Gesellschaft ’Hans Österreicher sel. Erben’, deren Handelsaktivitäten sich auf Deutschland, Österreich, Italien und die Niederlande, sporadisch auch auf die iberische Halbinsel erstreckten. Neben der Geschäftszentrale in Augsburg bestanden größere Filialen in Wien, Genua und Florenz. In Bozen, Amsterdam, Middelburg, Hamburg und mehreren oberdeutschen Städten wurde die Firma durch Kommissionäre vertreten. Die Österreicher handelten in erster Linie mit Erzeugnissen der deutschen und italienischen Textilindustrie. Durch Kredite an die Einkaufsgesellschaften der Augsburger Metzgerspielten sie eine wichtige Rolle im Ochsenhandel. Die Kapitaleinlagen erreichten bis 1608 mit fast 850.000 fl einen Höchststand, wobei fast das gesamte Betriebskapital von den Teilhabern sowie deren Verwandten und Angestellten kam. Seit Beginn des 30jährigen Krieges ging das Vermögen der Familienmitglieder rapide zurück. Die Aufnahme der Österreicher ins Patriziat während der schwedischen Besatzung (1632) wurde 1635 auf kaiserlichen Befehl wieder rückgängig gemacht.
  • Oesterreicherstraße (Oberhausen-Süd, Amtlicher Stadtplan H 7).

Literatur:

Paul von Stetten, Geschichte der adelichen Geschlechter in der freyen Reichsstadt Augsburg, 1762, 258 f., 288 f.

Friedrich Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte 3/4, 1907-1911

Josef Hagl, Entwicklung des Augsburger Großkapitals […] 1540-1618, München Diss. 1924, 104-109

Robert Poppe, Die Augsburger Handelsgesellschaft Österreicher, 1928

Anton Mayr, Die großen Augsburger Vermögen 1618 bis 1717, 1931, 57-61

Christel Warnemünde, Augsburger Handel in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts und dem beginnenden 17. Jahrhundert, 1956, 134-142

Katharina Sieh-Burens, Oligarchie, Konfession und Politik im 16. Jahrhundert, 1986

Hanns-Heinz Kasper, Von der Saigerhütte zum Kupferhammer Grünthal, 1987, 18-22

Christina Dalhede, Zum europäischen Ochsenhandel. Das Beispiel Augsburg 1560-1578, 1992

Zwei Augsburger Unterkaufbücher 1551-1558, 1994

Augsburger Eliten des 16. Jahrhunderts, 1996, 590-603.