Domkreuzgang

Autor: Ermengard Hlawitschka-Roth

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Ehemals Bestandteil des Domstifts, ist der Domkreuzgang dem nördlichen Seitenschiff des Doms als eigenständiges Architekturelement vorgelagert. Im Kern 13. Jahrhundert (spätromanische Bauformen lassen einen Vorgängerbau vermuten), wurde sein Südflügel 1330/40 mit der Gotisierung und der damit verbundenen Erweiterung des Doms abgebrochen; seither treffen West- und Ostflü­gel des nur noch dreiseitigen Domkreuzgangs unmittelbar auf das nördliche Langhaus. Das heutige Erscheinungsbild des durch hohe Maßwerkfenster und unterschiedliche Gewölbefigurationen gebildeten, jeweils zehn Joche umspannenden Domkreuzgangs ist das Ergebnis eines Neubaus von 1479-1510 (Inschriften und Datierung in den Stifter-Schlusssteinen), der Hans von Hildesheim (Westflügel) und Burkhart Engelberg (Nord- und Ostflügel) zugeschrieben wird. Um 1720 – mit Errichtung der Marienkapelle – barocke Tonneneinwölbung im südlichen Westflü­gel. 1944 Bombenschäden im Nordflügel; konservatorische Maßnahmen 1948, 1954 und v. a. 1965-1967 mit neuer Binnengliederung der Maßwerkfenster. Nach Aufgabe der klösterlichen ’vita communis’ 1101 wurde der Domkreuzgang seit dem späten 13. Jahrhundert als Grablege der Domgeistlichkeit und herausragender Patrizierfamilien genutzt. Dabei bestattete man Kanoniker im Westflügel (der bereits im alten Domstift vorhandenen Anlage), Domvikare im Nord- und Laien im Ostflügel (den wohl erst im 15. Jahrhundert an heutiger Stelle neuerbauten Teilen). Voraussetzung für die Grablege im Domkreuzgang und damit für die Aufstellung von Epitaphien waren Jahrtagsstiftungen, die die Auftraggeber häufig noch zu Lebzeiten vornahmen. Im Gegenzug verpflichtete sich das Domkapitel zur Feier des gestifteten Heiligenfestes im Dom und zum Besuch des Grabes am Jahrtag. Die über 400 kunstvoll gearbeiteten Grabplatten (damit reichster Kreuzgang Deutschlands) reichen von 1285 bis ins 19. Jahrhundert, wobei zahlreiche Verluste zu beklagen sind (u. a. durch Neubelegung nach dem 30-jährigen Krieg und im 18. Jahrhundert sowie durch Bombenschäden 1944). Grundlage für die räumliche Gestaltung des Domkreuzgangs und zugleich Rahmen für die spätere Entfaltung der Epitaphplastik war die im frühen 14. Jahrhundert vorgebildete Aufstellung von Epitaphien mit freifigürlichen Andachtsbildern zur Betonung der Flügelübergänge und Andachtszentren. Thematisch folgen diese Grabplatten der Verbindung von Marien- und Heiligenverehrung, die im Westflügel um die Christusthematik und im Nordflügel um das Petrusthema erweitert wurde. Kreuzigung und Gnadenstuhl sind hingegen für die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts und das frühe 17. Jahrhundert vorherrschende Themen. Durch den Platzmangel im Domkreuzgang bedingte Vorschriften bezüglich Größe der Epitaphplatten und des zu bestattenden Personenkreises läuten im 17. Jahrhundert das Ende der Augsburger Epitaphplastik ein; im 18. Jahrhundert nur noch wenige beachtliche Werke. Zu den wichtigsten Stücken zählen das Epitaph des Arztes Adolph (I) Occo († 1503) und des Vitus Meler († 1517, beide Gregor Erhart zugeschrieben) und das Doppelepitaph Sturmfelder-Nagel († 1601) von Hans Reichle. Dem Domkreuzgang schließt sich im Westen der Kapitelsaal (12. Jahrhundert) an. Die ihm gegenüberliegende Katharinenkapelle im Osten des Westflügels entstand 1300 (Altarrelief 1564).

Literatur:

Alfred Schröder, Die Monumente des Augsburger Domkreuzganges, in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 10 (1897), 33-91

11 (1898), 31-114

Joseph Maria Friesenegger, Führer durch den Domkreuzgang in Augsburg, 1930

A. Vierbach, Der Domkreuzgang in Augsburg in neuem Gewand, in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 2 (1968), 5-9

Volker Liedke, Die Augsburger Sepulkralskulptur der Spätgotik, Teil I-IV, 1979-1988

Karl Kosel, Der Augsburger Domkreuzgang und seine Denkmäler, 1991

Denis A. Chevalley, Der Dom zu Augsburg, 1995, 417-516.