Kalenderstreit

Autor: Dr. Peter Steuer

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Am 24.2.1582 ordnete Papst Gregor XIII. die Einführung eines neuen Kalenders an (verbesserte Schaltjahrregelung, Angleichung an den Sonnenstand durch Auslassung von zehn Tagen) und verlangte im September 1582 beim Reichstag zu Augsburg die Übernahme der Reform im Reich. Die katholischen, nicht aber die evangelischen Reichsstände schlossen sich an. Obwohl Augsburg damals zu mehr als 75 % evangelisch war, beschloss der mehrheitlich katholische Rat aus wirtschaftlichen Gründen Anfang 1583 die Einführung des neuen Kalenders. Während der evangelische Ratsteil den Mehrheitsbeschluss wegen verfassungsrechtlicher Bedenken (angeblich Bruch des Augsburger Religionsfriedens) nicht anerkannte, heizten die evangelischen Prädikanten, insbesondere Superintendent Georg Mylius, durch Agitation gegen die Ratspolitik und die scheinbar religiös begründete rigorose Ablehnung des neuen Kalenders die Stimmung im evangelischen Bevölkerungsteil an. Eine Beschwerde der evangelischen Kirchenpfleger beim Reichskammergericht wurde im Mai 1584 abgewiesen, die Kalenderreform trat damit endgültig in Kraft. Die Absetzung der Kirchenpfleger und die Usurpation der evangelischen Predigervokation durch den Rat steigerten die Spannung weiter. Die Ausweisung von Mylius führte am 4.6.1584 zu schweren Unruhen, an denen sich Tausende von Handwerkern beteiligt haben sollen. Zwei kaiserliche Kommissionen brachten einen Kompromiss zustande, der aber von den Prädikanten und einem harten Kern evangelischer Wortführer abgelehnt wurde. Daraufhin wurden auch die Prediger und zahlreiche bürgerliche Opponenten aus der Stadt gewiesen. Diese setzten nun den Rat von ihrem Ulmer Exil aus unter Druck, indem sie etliche evangelische Fürsten, darunter die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg sowie den Herzog von Württemberg, zur Intervention für ihre Sache gewannen. In den folgenden Jahren wurden die vom Rat bestallten Prediger von einem großen Teil der evangelischen Bevölkerung boykottiert, zudem begingen zahlreiche Bürger die Feiertage verbotswidrig weiterhin nach dem Julianischen Kalender. Nachdem der Rat hinsichtlich der Predigervokation und der Kompetenzen der Kirchenpfleger, nicht jedoch in der Kalenderfrage der evangelischen Bevölkerung entgegengekommen war, kehrten seit den frühen 1590er Jahren die meisten Exilierten nach und nach zurück.

Literatur:

F. Kaltenbrunner, Der Augsburger Kalenderstreit, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 1 (1880), 499-540

Felix Stieve, Der Kalenderstreit des 16. Jahrhunderts in Deutschland, 1880

Wolfgang Zorn, Augsburg. Geschichte einer deutschen Stadt, 21994, 204

Katharina Sieh-Burens, Oligarchie, Konfession und Politik im 16. Jahrhundert, 1986, 187-206

Bernd Roeck, Eine Stadt in Krieg und Frieden, 1989, 125-189.